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In der Kaufmannschaft der Bielefelder Altstadt haben sich rund 200 Händler, Gastronomen und Dienstleister zusammengeschlossen. Gemeinschaftlich wollen sie nicht nur die Corona-Krise meistern, sondern die Bielefelder Innenstadt langfristig gestalten und stärken.
Ungewissheit, Sorgen, Zukunftsangst: Die Corona-Krise verlangt Händlern, Gastronomen und Dienstleistern einiges ab. Ganze Innenstädte leiden, denn wo die Menschen früher durch Geschäfte schlenderten und hinterher Kaffee und Kuchen im Café auf dem Marktplatz genossen, herrscht heute gähnende Leere – so auch in Bielefeld. „Viele ortsansässige Händler und Gastronomen sind verunsichert“, berichtet Henner Zimmat. „Sie fragen sich, wie sie sich gerade richtig verhalten sollten, welche Maßnahmen aktuell gelten und vor allem wie es weitergeht.“ Zimmat hat dann ein offenes Ohr. Er vermittelt bei Konflikten und sorgt voller Leidenschaft dafür, dass eine Gemeinschaft in der Krise noch enger zusammenrückt: die Kaufmannschaft Altstadt Bielefeld.
Der Verein zählt heute 210 Mitglieder und Zimmat fungiert als Vorsitzender wie ein stolzer Mannschaftskapitän. Den Verein gibt es bereits seit fast 40 Jahren, er selbst ist seit 2018 in seiner Rolle. Für die Mitglieder ist die Corona-Krise so etwas wie der Tiefpunkt in einer längeren Entwicklung, gegen die sie sich gemeinschaftlich einsetzen. Schon vor März 2020 hatten sie mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen: Kunden kauften immer öfter im Internet, die Mietpreise in den 1A-Lagen waren kaum noch bezahlbar, Hersteller eröffneten eigene Läden und wirtschafteten am Handel vorbei. Die Pandemie treibt diese negativen Trends nun unerträglich auf die Spitze.
„Wir haben uns mit der Kaufmannschaft auf die Fahnen geschrieben, der Stadt mit Persönlichkeit und viel Hingabe zur Heimat ein Gesicht zu geben und gegen den wachsenden, anonymen E-Commerce standzuhalten“, berichtet Zimmat. Die Gemeinschaft hat Kampagnen gestartet und Veranstaltungen organisiert, wirbt für die Einkaufsstraße, ruft auf, dort zu kaufen, wo man lebt, kämpft gegen den wachsenden Leerstand und spricht beim Bürgermeister vor, um Probleme direkt zu klären und schnelle Lösungen zu finden. Da für die meisten Händler E-Commerce bislang kaum eine Rolle spielte, hat der Verein zuletzt das Händlerportal „wir-liefern.jetzt“ ins Leben gerufen. Dort gibt es eine Übersicht über sämtliche Läden in der Bielefelder Innenstadt – mitsamt Kontaktdaten und Bestellmöglichkeit. „Besonders wichtig in der Corona-Krise“, sagt Zimmat.
„Zwar ist mein Posten als Vorsitzender nur ein ehrenamtlicher, der neben meinem Hauptberuf läuft. Doch mittlerweile fühlt es sich an wie eine 24/7-Tätigkeit“, sagt Zimmat lachend. Der gebürtige Bielefelder, der mit seinem Partner Marcus Langer eigentlich die Medienagentur „extrem beweglich“ leitet, sprudelt vor Enthusiasmus, kennt seine Stadt und den Handel bestens: Er ließ sich in Paderborn im Sporthaus Filter zum Einzelhandelskaufmann ausbilden und führte anschließend bis 2011 das Unternehmen Schlepper Sport in Bielefeld. Dort ist er der Altstadt bis heute treugeblieben. Der ehemalige Händler fördert vor allem den Austausch der Mitglieder, er ist Berater, Tröster oder auch mal eine starke Schulter zum Ausweinen.
Um den Verein zu stärken, baut Zimmat vor allem auf eine gute Kommunikation. So hat er zum Beispiel die „knackige Stunde“ eingeführt: In der tauschen sich die Mitglieder zu Rechtsfragen aus, erzählen, wie sie in ihren Läden die Hygienevorschriften umsetzen, oder lassen einfach mal Dampf ab über die gesamte Situation.
Der Verein erhält mit der Zeit immer mehr Aufmerksamkeit. Auch die Politik zeigt Interesse an den Anliegen der Altstadt-Vertreter, geht immer wieder auf den Verein zu und zieht ihn zu Rate, wenn es um Zukunftsfragen geht. Dabei geht es neben dem Kampf gegen den wachsenden Leerstand zum Beispiel auch darum, wie ein smartes Stadtsystem mit Parksituationen und E-Mobilität funktionieren könnte und wo autofreie Zonen Sinn ergeben.
Die Aktionen finanziert der Verein aus Mitgliedsbeiträgen, Sponsorengeldern und Spenden. Auch der Bankverein Werther, Zweigniederlassung der VerbundVolksbank OWL, ist Mitglied in der Kaufmannschaft und hat den Verein in den vergangenen Jahren unterstützt. „Unser Standort liegt mitten in der Altstadt am Alten Markt“, sagt Detlef Kropp, Direktor und Niederlassungsleiter des Bankvereins Werther. „Es ist uns daher ein Herzensanliegen, unseren Beitrag zur Innenstadtentwicklung zu leisten.“ So hat der Bankverein Werther etwa die Catwalk-Veranstaltung im vergangenen Spätsommer mitfinanziert, bei der Designer ihre Werke in den Bielefelder Geschäften vorführten. Im kommenden Jahr wird die Kaufmannschaft 40 Jahre alt. „Wir hoffen, dass wir unser Jubiläum ausgiebig feiern können“, sagt Zimmat – und verspricht, dass sich der Verein auch dafür einiges einfallen lässt.