Eine Bankausbildung verbindet Theorie und Praxis. Doch wie lernt man, wenn die Berufsschulen und die Filialen plötzlich schließen müssen? Laura Struck und Justin Macke standen kurz vor dem Ende ihrer Ausbildung in der VerbundVolksbank OWL, als Corona alles veränderte.
„Es war am Anfang schon eine kleine Herausforderung, den Auszubildenden ihre Sorgen und Ängste zu nehmen“, berichtet Denise Jagiella. Sie ist eine der vier Referentinnen Personalentwicklung und Ausbildung in der VerbundVolksbank OWL und erste Ansprechpartnerin für die Auszubildenden im Personalmanagement. „Gerade das dritte Lehrjahr, also diejenigen, die kurz vor ihrer Abschlussprüfung standen, waren verunsichert. Wie bekommen sie die Lerninhalte vermittelt? Und muss die Prüfung unter Umständen verschoben werden? Diese Fragen standen plötzlich im Raum.“ Hinzu kam, dass durch die vorübergehenden Filialschließungen keine Kundentermine mehr stattfinden konnten und damit für die Azubis auch die Möglichkeit entfiel, an Beratungsgesprächen teilzunehmen und diese praktischen Erfahrungen für die Prüfungsvorbereitung zu nutzen. „Ein Großteil unserer Azubis hat dann das KundenCentrum unterstützt. Diese Hilfe kam dort genau zum richtigen Zeitpunkt, denn gerade während des ersten Lockdowns im März und April gingen im KundenCentrum deutlich mehr Kundenanrufe als sonst ein“, erzählt Jagiella.
Auch in der Theorie sollten die Azubis neue Wege beschreiten. Statt Berufsschule stand Homeschooling auf dem Lehrplan. Den Unterrichtsstoff gab es digital und mit Fristen und Abgabeterminen versehen. Fragen konnten in Online-Sprechstunden an die Lehrer gestellt werden. Laura Struck empfand das digitale Lernen anfangs ungewohnt. „Ich brauchte erst einige Zeit, um mich an die Technik zu gewöhnen. Und den Lehrern ging es ebenso, das hat man gemerkt“, sagt die 27-Jährige.
Während dieser Zeit blieb Denise Jagiella per E-Mail oder Telefon mit den Azubis in engem Austausch. „Einfach mal anzurufen und nachzufragen, was sich gerade als schwierig gestaltet, aber auch um Feedback zu geben, das war sehr hilfreich“, sagt sie. Dies bestätigen auch Justin Macke und Laura Struck. Sie fanden es gut, dass das Ausbildungs-Team trotz des erheblichen Mehraufwands stets ein Ohr für sie hatte.
Zugleich planten Denise Jagiella und ihre Kolleginnen interne Seminare, in denen erfahrene Banker ihr Praxiswissen an die Azubis weitergaben. Als Vorbereitung auf die mündliche Prüfung fand anstelle eines dreitägigen Praxisseminars im Präsenzformat eine digitale Variante statt. Gemeinsam mit den Ausbildungsbeauftragten, die es an jedem Einsatzort der Azubis gibt, rief Denise Jagiella den sogenannten Berater-Mittwoch aus. An diesem Tag trainierte jeweils ein Auszubildender mit seinem Ausbildungsbeauftragten Kundengespräche, während weitere Azubis digital zuschauen und anschließend Feedback geben konnten. Auf der Online-Plattform „Prüfungs-TV“ konnten die Azubis virtuelle Prüfungen simulieren und auch die Geno-Akademie bot ihre Prüfungsvorbereitungen digital an.
„Bei uns in der Filiale war und ist das Miteinander sehr gut. Unsere Zusammenarbeit ist ein gutes Beispiel für Solidarität.“
Laura Struck
„Sicherlich mussten wir im Corona-Jahr Abstriche bei der Ausbildung machen. Aber alle Beteiligten haben versucht, das Beste herauszuholen, und uns hervorragend unterstützt“, sagt Justin Macke. Besonders dankbar ist er auch für das Engagement der Lehrer und die umfangreichen Unterlagen, die diese zusammengestellt haben. Gut fand er, dass er sich beim Homeschooling die Zeit und auch die Themen selbst einteilen konnte.
Laura Struck hat für sich mitgenommen, dass sie zu Hause nicht weniger fleißig ist. „Ich bin auf jeden Fall auch digitaler geworden und habe mir ein neues Notebook für das Lernen zugelegt.“ Flexibel zu reagieren, sei für alle ein wesentlicher Faktor in dieser Zeit gewesen.
Im Januar 2021 haben Laura Struck und Justin Macke gemeinsam mit 18 anderen Auszubildenden der VerbundVolksbank OWL erfolgreich ihre Prüfungen vor der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld abgeschlossen und somit mitten im Lockdown einen ersten bedeutenden Meilenstein in ihrer beruflichen Laufbahn erreicht. „Bei der digitalen Zeugnisübergabe wurden wir mit einem kleinen Geschenk zu Hause überrascht“, lobt Justin Macke die Idee, die ein wenig über die nicht stattgefundene Abschiedsfeier hinwegtröstet.
„Solidarität gegenüber unseren Kunden heißt für mich, flexibel in der Beratung zu sein, sich Zeit zu nehmen, Dinge zu erklären oder auch Unterstützung bei Fördermitteln oder Soforthilfen anzubieten.“
Justin Macke
„Besondere Momente digital zu feiern – auch das geht, wenn man dabei jeden Auszubildenden persönlich würdigt und das virtuelle Treffen mit Interaktionen oder witzigen Frage-/Antwort-Spielen auflockert“, weiß Denise Jagiella. Für sie als Ausbildungs-Referentin sind zum Beispiel im vergangenen Jahr digitale Vorstellungsgespräche zur täglichen Routine geworden.
Wichtig sei, den Bewerbern zu Beginn die Nervosität in Sachen Technik zu nehmen. „Im Online-Bewerbungsgespräch legen wir heute den Fokus auf die Vorstellung des Bewerbers“, sagt Jagiella. Darüber hinaus ist sie bestrebt, möglichst viel von ihm zu erfahren und das persönliche Gespräch, so gut es geht, zu ersetzen. Auch versucht sie, die digitalen Meetings so persönlich wie möglich zu gestalten. „Für den digitalen Kennenlerntag zum Beispiel haben wir persönliche Steckbriefe für alle Azubis angefertigt, anhand derer sich dann jeder vorstellen konnte.“
Für Justin Macke und Laura Struck geht es nun darum, die nächsten Schritte in ihrem noch jungen Berufsleben zu machen. Justin Macke arbeitet seit Abschluss der Ausbildung als Kundenberater im BeratungsCenter Werther. Er hat in der Corona-Zeit einen besonders engen Zusammenhalt, Hilfe und Unterstützung in seinem Team erlebt. Solidarisch zu handeln, bedeutet für ihn, sich selbst und seine Bedürfnisse zurückzunehmen, um anderen helfen zu können. „Solidarität gegenüber unseren Kunden heißt für mich, flexibel in der Beratung zu sein, sich Zeit zu nehmen, Dinge zu erklären oder auch Unterstützung bei Fördermitteln oder Soforthilfen anzubieten“, sagt der 22-Jährige. Um sein Wissen weiter auszubauen, wird er bald nebenberuflich ein Wirtschaftsstudium absolvieren. Sein Ziel: sich als Berater mit dem Schwerpunkt Vermögen zu spezialisieren.
„Besondere Momente digital zu feiern – auch das geht, wenn man dabei jeden Auszubildenden persönlich würdigt.“
Denise Jagiella
Laura Struck ist als Kundenberaterin in der Filiale Benhauser Straße in Paderborn im Einsatz. Im letzten Jahr habe sie festgestellt, wie wichtig Solidarität sei und dass es noch viel Potenzial dafür gebe. „Bei uns in der Filiale war und ist das Miteinander sehr gut. Unsere Zusammenarbeit ist ein gutes Beispiel für Solidarität. Man unterstützt sich, egal bei welcher Arbeit, man vertraut einander und verlässt sich auf den anderen im Team. Irgendwie sind wir alle mehr zusammengewachsen. Und vielleicht sind wir auch ein Stück nachsichtiger geworden in Bezug auf die Probleme der Kunden“, sagt Laura Struck.
Beruflich ist es der jungen Frau sehr wichtig, in einem Job zu arbeiten, der in erster Linie Spaß macht und der ihr das Gefühl gibt, angekommen und zufrieden zu sein. Ihre Wünsche für die Zukunft: „Gesund zu bleiben und etwas mehr Normalität bitte!“