Amelunxen liegt im Nethetal im Weserbergland. Auf rund 1.100 Einwohner kommen zwei Kirchen – und bis vor acht Jahren eine Grundschule und ein örtlicher Metzger, die dann beide schlossen. Als das einzige Lebensmittelgeschäft zu verschwinden drohte, nahmen die Einwohner die Sache selbst in die Hand. Unter dem Motto „Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele“ taten sie sich zusammen und riefen ein Dorfladen-Projekt ins Leben.
Wer in Amelunxen den Dorfladen betritt, spürt es gleich. Hier ist alles ein bisschen anders. Die von einem Amelunxer Tischler gezimmerten Regale sind prall gefüllt mit regionalen Spezialitäten. An den Wänden hängen zwei Monitore, auf denen besondere Anlässe und Jubiläen angekündigt werden. Und beim Bezahlen kann es durchaus passieren, dass Jugendliche aus dem Dorf beim Scannen der Waren an der Kasse helfen. Kein Zweifel: Dieser Laden ist von Dorfbewohnern für Dorfbewohner gemacht.
Das damalige Lebensmittelgeschäft der Eheleute Grewe war lange Zeit die einzige Institution im Dorf. Als die beiden ihren Laden im Jahr 2021 nach beinahe 50 Jahren schließen wollten, war für die Amelunxer klar, dass jemand den Laden weiterführen muss. „Hier wohnen viele ältere Menschen und der nächste Supermarkt ist acht Kilometer entfernt“, sagt der heutige Geschäftsführer des Dorfladens, Michael Knaup.
So dauerte es nicht lange, bis eine Gruppe Ortsansässiger nach einer Lösung suchte. Sie trafen sich im Mai 2021 und schmiedeten Pläne für einen neuen Laden. Knaup und seine Mitstreitenden setzten von Anfang an auf die Dorfgemeinschaft. Für die Renovierung engagierten sie lokale Handwerker, die Dorfbewohner durften Produktvorschläge einreichen, und auch die Finanzierung sollte auf gemeinsamen Beinen stehen. „Wir wollten den Laden ursprünglich als Genossenschaft gründen und haben zur Finanzierung Anteile angeboten“, erinnert sich Knaup. Dieses Modell hatte allerdings steuerliche Nachteile, weil die Genossen nicht nur Anteilseigner, sondern auch Kunden gewesen wären. „Zu kompliziert“, urteilt Knaup. Stattdessen ist der Dorfladen nun in der Rechtsform einer Unternehmergesellschaft (UG) organisiert, mit Knaup als Geschäftsführer und einem kleinen beratenden Vorstand.
Damit alle Einwohner im Dorf am Projekt teilhaben können, hat Knaup 246 Anteile für insgesamt 85.000 Euro verkauft. Die meisten davon gingen an Amelunxer. Ein zukunftsfähiges Modell, das an das genossenschaftliche Prinzip anknüpft, wie Knaup findet. „Mit dem eigenen Geld das Dorfleben aktiv zu gestalten, macht Spaß und Lust auf die Zukunft.“ Knaup wünscht sich, dass mehr kleine Dörfer ihre Lebensqualität selbst in die Hand nehmen. Schließlich könnten dank Home-Office und dezentralen Arbeitens bald wieder mehr junge Menschen aufs Land ziehen. „Oft fehlt nur der Mut, ein Projekt wie den Laden zu verwirklichen“, ist er sicher. „Ideen für neue Initiativen oder Menschen, die in einer Dorfgemeinschaft leben möchten, gibt es genug.“
Die Volksbank-Filiale in Beverungen hat die Amelunxer bei ihrem Projekt unterstützt. „Die Mutter meines Patenkindes arbeitet bei der Volksbank Höxter und hat ein Konto für den Laden eröffnet“, erzählt Knaup. Als das Projekt dann größer wurde, übernahm Kundenberater Philipp Driehorst. Er half unter anderem bei der Risikoermittlung und richtete einen Dispositionskredit ein. „Herr Driehorst hat uns viele Fragen geduldig beantwortet und ganz selbstverständlich angeboten, uns ein Kartenlesegerät und die Abwicklung von Kartenzahlungen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.“ Außerdem können die Amelunxer im Laden nun ab einem Einkaufswert von zehn Euro kostenlos Bargeld abheben.
Damit das Dorf auch in Zukunft attraktiv bleibt, braucht es eine funktionierende Infrastruktur. Dazu gehört ein Lebensmittelgeschäft genauso wie Finanzdienstleistungen. Jeden Freitag hält daher der Volksbank-Bus, die mobile Filiale der VerbundVolksbank OWL, in Amelunxen. „Ich finde es wichtig, dass die Volksbank kleine Dörfer mit dem Bus anfährt“, lobt Knaup. Auch das gesellschaftliche Engagement der Volksbank kommt in Amelunxen gut an, denn sie fördert zum Beispiel ebenfalls den lokalen Sportverein. „Es geht dabei nicht nur um Geld, sondern auch um die Unterstützung drumherum,“ sagt Knaup. Denn Zusammenhalt sei für ihn das stärkste Gut eines Dorfes.
Seit Februar 2022 hat der neue Laden geöffnet. Welche neuen Produkte ins Sortiment aufgenommen werden, entscheidet die Dorfgemeinschaft mit, und wenn es um die Zukunft des Ladens geht, wird Knaup von seinem kleinen Vorstand beraten. Für den Geschäftsführer eine Selbstverständlichkeit. „Das Dorf finanziert den Laden, da darf es auch mitentscheiden.“ Der Erfolg gibt ihm Recht. „Die ersten Wochen haben unsere Erwartungen schon übertroffen.“ Die Einnahmen liegen ein Drittel über der prognostizierten Summe. Knaup ist überzeugt, dass ein Investor von außerhalb niemals den gleichen Zuspruch gefunden hätte. „Die Menschen freuen sich jeden Tag, dass sie weiterhin hier einkaufen können.“ Momentan arbeiten im Dorfladen insgesamt acht Mitarbeiterinnen – und selbst der ehemalige Besitzer Wolfgang Grewe hilft ab und zu noch mit.